Artikel vom 
Februar 14, 2022

Wie wird die Diagnose einer psychischen Erkrankung gestellt?

Lesedauer 3 Minuten

Du konntest in diesem Artikel bereits lesen, dass die Diagnosestellung psychischer Störungen wichtig ist, um die richtigen Behandlungsmöglichkeiten und Therapien zu finden. Da es häufig nicht so einfach ist, eine psychische Störung zu erkennen, wie z.B. einen Knochenbruch oder eine Mandelentzündung, dauert der diagnostische Prozess hier oft länger. Er beinhaltet hauptsächlich Gespräche, aber auch Fragebögen und spezielle Tests können eingesetzt werden. Wie der Vorgang abläuft, was dich bei Diagnosegesprächen erwartet und welche Fragen gestellt werden können, erfährst du hier. 

Der Weg zur Diagnose einer psychischen Störung

Eine Diagnose kann von (Haus)ärzt:innen, Psychiater:innen oder Psychotherapeut:innen gestellt werden. Je nach Setting (z.B. psychiatrische Klinik, Hausärzt:in oder psychotherapeutische Praxis) kann die Diagnosestellung etwas variieren. Im Folgenden beschreiben wir einen typischen Verlauf der Diagnosestellung in der (ambulanten) Psychotherapie – also wenn du zu einem oder einer Psychotherapeut:in gehst.

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Erstgespräch

Das “Herzstück” der Diagnosestellung ist das ärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Gespräch. An einem ausführlichen Gespräch führt kein Weg vorbei. In einer ersten Sprechstunde geht es darum zu klären, warum du da bist und dir die Möglichkeit zu geben, deine Symptome und “Problembereiche” zu schildern. Je nachdem, mit welchen Symptomen du kommst, können auch schon erste genauere Fragen bezüglich der Dauer und Intensität der Symptome, oder Situationen, in denen sie auftreten gefragt werden. Meist wirst du in der ersten Stunde auch schon nach deiner aktuellen Lebenssituation gefragt, nach wichtigen Informationen aus der Biografie (z.B. Erkrankungen in der Familie), Vorbehandlungen und deinen persönlichen Zielen und Wünschen.
Es wird dann eine erste (vorläufige!) diagnostische Einordnung nach dem ICD-10 geben. Das ist aber nur eine erste Einschätzung und kann sich im Laufe der Sitzungen noch verändern.
Es kann sich am Ende des Gesprächs darauf geeinigt werden, dass es aktuell keinen (psychotherapeutischen) Behandlungsbedarf gibt. Damit wäre der diagnostische Prozess beendet. Wurde eine behandlungsbedürftige psychische Störung erkannt (also wenn es dir sehr schlecht geht und du dich belastet fühlst), werden erste Therapieoptionen und -empfehlungen besprochen. 

Diagnostische Sitzungen (Probatorik)

Wurde eine ambulante Psychotherapie empfohlen, folgen etwa 4-5 weitere Sitzungen, die sog. Probatorik. Diese Sitzungen sind zum Einen dazu da, dass ihr euch besser kennen lernt, aber auch damit der oder die Therapeut:in möglichst genau versteht, warum du da bist. Dazu folgen Fragen zur Erscheinungsform deines Problems (z. B. die Häufigkeit und Intensität von deinen Ängsten), den Bedingungen, unter denen sie auftreten, bisherige Behandlungsversuche und zu Medikamenten- und Drogenkonsum. Auch Fragen zu deiner individuellen Lebensgeschichte und wichtige Erfahrungen in deiner Vergangenheit wird es geben. Wenn dir das zu schnell geht oder unangenehm ist, musst du natürlich nichts beantworten, das du nicht beantworten möchtest!
Zusätzliche ist es möglich, dass du gebeten wirst, Fragebögen (z.B. zur aktuellen Depressivität) auszufüllen oder Tests (z.B. Computertests bei der Demenzdiagnostik) zu machen. Auch strukturierte Interviews können verwendet werden. Diese beinhalten viele detaillierte Fragen zu Symptomen und deinen individuellen Erfahrungen und stellen sicher, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Wie der genaue Prozess aussieht, ist abhängig von deinen Symptomen und dem oder der Therapeut:in.

Konsiliarische medizinische Untersuchung

Auch auf körperliche Erkrankungen muss bei der Diagnostik geachtet werden, denn diese können Auslöser oder Mitverursacher von psychischen Beschwerden sein (wie z.B. depressive Verstimmung durch eine Schilddrüsenerkrankung). Daher wirst du im Laufe der ersten Sitzungen gebeten, eine medizinische Untersuchung deines oder deiner Hausärzt:in vornehmen zu lassen. So können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden bzw. der Einfluss von chronischen Erkrankungen mit einbezogen werden. Dein:e Behandler:in stellt im Anschluss einen sogenannten Konsiliarbericht aus, den du mit zu deinem oder deiner Psychotherapeut:in nimmst.

Klassifikationssysteme ICD und DSM

Letzte Woche haben wir schon kurz darüber gesprochen: In Europa (also auch in Deutschland) werden psychische Störung anhand des Klassifikationssystems ICD (International Classification of Diseases) der WHO kodiert. Zusammen mit dem amerikanischen Klassifikationssystem DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft APA) ist es weltweit anerkannt und wird eingesetzt, um psychische Störungen zu klassifizieren. ICD und DSM werden auch von den gesetzlichen Krankenversicherungen verwendet, um den Anspruch auf eine Behandlung zu ermitteln. Das bedeutet, dass wenn es uns nicht gut geht, wir letztlich auch eine Diagnose “brauchen”, damit wir eine Behandlung (oder auch eine Erwerbsunfähigkeitsrente) von der Krankenkasse zugesichert und genehmigt bekommen.

Diagnosevergabe 

Bei der abschließenden Beurteilung/Klärung werden dir die vergebenen Diagnosen erläutert und erklärt. Es gibt viele individuelle Gründe für eine psychische Störung. Diagnosen bzw. deine Symptome, Problembereiche und Beschwerden werden daher immer in Zusammenhang mit deinen individuellen Erfahrungen und deiner aktuellen Lebenslage gebracht. Dies stellt die Grundlage der Psychotherapie dar. Gemeinsam erarbeitet ihr so einen Therapieplan, der genau auf dich und deine Probleme abgestimmt ist. Im Laufe der Therapie können auch weitere Fragebögen oder Tests genutzt werden, z.B. um Fortschritte und Erfolge, Symptomveränderungen oder neue Ziele festzuhalten.

Du musst keine Angst davor haben, eine psychische Störung diagnostiziert zu bekommen. Der Weg kann sich etwas mühsam anhören. Die richtigen Diagnosen zu vergeben ist aber ein sehr wichtiger erster Schritt in der Therapie psychischer Störungen. Durch die vielen Fragen und das gemeinsame Erörtern wird sichergestellt, dass das “Problem” der Patient:innen genau verstanden wird, und ein passender Therapieplan entwickelt werden kann.

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Friederike Schubbert

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