Artikel vom 
Juni 7, 2022

Wie gelingt der Weg zur Akzeptanz?

Lesedauer 4 Minuten

“Gelassener sein” ist ein Wunsch vieler Menschen. Das kann bedeuten, entspannter zu sein, sich nicht unnötig aufzuregen, nicht so perfektionistisch zu sein, es mal “gut sein” zu lassen. Was es dafür braucht, ist Akzeptanz. Akzeptanz bedeutet, dass wir ein Gefühl, eine Person, ein Problem oder eine Situation so annehmen, wie sie ist, auch wenn sie möglicherweise nicht unseren Erwartungen oder Wünschen entspricht. Das klingt einfacher als es ist und häufig fällt es uns sehr schwer, etwas zu akzeptieren. Nicht zuletzt, weil viele Menschen Akzeptanz mit “aufgeben” oder einer Niederlage verbinden. Doch eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Die Fähigkeit zu akzeptieren ist eine Stärke, die uns neben Gelassenheit auch inneren Frieden, Freiheit und Raum für Neues schaffen kann. Was Akzeptanz genau ist und wie man sie stärken kann, erfährst du in diesem Artikel.  

Akzeptanz und der Unterschied zwischen Schmerz und Leid

Akzeptanz ist die Fähigkeit, unveränderbare (!) Zustände im Leben anzunehmen, wie sie sind, anstatt mit ihnen zu hadern und dagegen anzukämpfen. In der Psychologie wird häufig der Begriff der “radikalen Akzeptanz” benutzt. Dieses Konzept hat seine Wurzeln im Buddhismus und findet sich in verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen wieder. Diese gehen davon aus, dass Schmerz ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens ist und bestimmte schmerzhafte Ereignisse, wie z.B. Todesfälle, Streit, Misserfolg, Krankheit usw. nicht vollends verhindert werden können. Werden unangenehme Gefühle und Gedanken, die mit schmerzhaften Ereignissen zusammenhängen, aber zu vermeiden versucht, z.B. durch Bekämpfen oder Verdrängen, entsteht Leid. Leid ist die zusätzliche Belastung dadurch, dass wir gegen unangenehme Gefühle, Gedanken oder Erlebnisse ankämpfen und es verhindert gleichzeitig, dass diese richtig bewältigt werden können.

Radikale Akzeptanz bedeutet, diese schmerzlichen Empfindungen so zuzulassen, wie sie gerade sind, ohne sie zu bewerten oder verändern zu wollen. Ganz wichtig: Das bedeutet jedoch nicht, dass man einfach alles Unerfreuliche hinnimmt, Unrecht gutheißt oder dass man aufgibt und nichts mehr verändern möchte! Akzeptanz bedeutet, dass man unnötige Kämpfe aufgibt, also Erlebnisse, die sich nicht verhindern lassen, akzeptiert und sich den eigenen unangenehmen Gefühlen, Gedanken und Situationen offen und wohlwollend zuwendet. 

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Ein Beispiel: Stelle dir vor, du bist auf der Suche nach einer neuen Wohnung (oder auch einem neuen Job). Du hast mehrere Besichtigungen, findest schließlich die perfekte Wohnung. Alles läuft super, du verstehst dich gut mit der Vermietung, bekommst eine mündliche Zusage und der Mietvertrag soll dir in den nächsten Tagen per E-Mail zugeschickt werden. Als du nach einer Woche noch nichts gehört hast und nachfragst, antwortet die Vermietung, die Wohnung nun doch an eine andere Partei gegeben zu haben. Im schlimmsten Fall hast du deine alte Wohnung sogar schon gekündigt. Das ist wahnsinnig unfair und sollte nicht passieren. Und doch ist es passiert. Der Verlust dieser perfekten Wohnung, die du wirklich wolltest, ist schmerzhaft. Du fühlst dich wahrscheinlich verletzt und bist traurig, enttäuscht und wütend. Wie du mit diesem unvermeidbaren Schmerz umgehst und wie du ihn interpretierst, beeinflusst letztlich, ob aus Schmerz Leid wird.

Es ist schwierig, zu akzeptieren, was man nicht wahrhaben will, denn das fühlt sich manchmal wie ein Kontrollverlust an. Aber es ist noch schwieriger, es nicht zu akzeptieren. In dem o.g. Beispiel könntest du dich z.B. in deine Wut und deine Trauer hineinsteigern, der Vermietung 20 wütende E-Mails zurückschreiben und sie beschimpfen, wie unfair sie sind. Oder dich fragen, woran es liegt, was du falsch gemacht haben könntest, um nach stundenlangem Grübeln noch frustrierter und trauriger zu sein. Alternativ könntest du versuchen, die Situation, so unfair sie ist, zu akzeptieren. Die unangenehmen Gefühle und Gedanken zuzulassen, vielleicht Trost bei Freunden zu suchen, und das Erlebte dann loszulassen. 

So eine akzeptierende Haltung erlaubt es uns, fürsorglich, liebevoll und rücksichtsvoll mit uns selbst umzugehen. Dadurch, dass wir nicht ankämpfen und hadern, erlangen wir zudem einen klareren Blick auf die Dinge. Mit diesem können wir sehen, ob etwas verändert werden kann und soll. Wir haben dann die Freiheit, zu entscheiden, was wir als Nächstes tun wollen. Oft führt das Annehmen des Schmerzes also dazu, dass der Schmerz heilen kann. Der scheinbare Kontrollverlust gibt uns im Grunde also Kontrolle zurück. 

Wie kann man Akzeptanz lernen?

Den ersten Schritt um Akzeptanz zu lernen, hast du bereits gemacht, indem du diesen Artikel gelesen hast. Akzeptanz ist eine Fähigkeit und mentale Einstellung, weshalb zuerst das Wissen darüber notwendig ist. Nur so kannst du darüber reflektieren, wobei du aktuell Schwierigkeiten hast zu akzeptieren.  Dir wird in Zukunft auffallen, wenn du dich in einer Situation oder emotionalen Lage befindest, die du nicht verändern kannst, es sich also lohnen könnte, sie zu akzeptieren.

Denk also einmal kurz darüber nach, ob es gerade eine Situation, ein Gefühl, Gedanke, Person o.Ä. gibt, die du nicht akzeptieren kannst. Dann frage dich als Erstes: Kann und will ich es verändern? Lautet die Antwort ja, dann geht es darum, aktiv zu werden. Du kannst z.B. Freunde fragen, wie sie in der Situation handeln würden. Lautet die Antwort aber nein, dann geht es darum, zu akzeptieren. 

Das kann besser gelingen mit der “So Ist Es” – Übung:

Hast du eine unveränderliche Tatsache gefunden, die du akzeptieren möchtest, dann hilft die “So ist es - Übung” dir dabei, diese innerlich in kleinere Bereiche aufzuteilen. Jeder kleine Teilbereich deiner Tatsache wird mit “so ist es” beantwortet. 

Wenn du beispielsweise akzeptieren möchtest, dass du den Zug zu einer wichtigen Verabredung verpasst hast, denke dir: 

  • Ich habe heute eine Menge Stress gehabt - so ist es.
  • Ich habe mich dann in der Zeit vertan - so ist es.
  • Jetzt ist der Zug mir vor der Nase weggefahren - so ist es.
  • Ich weiß nicht, ob meine Verabredung enttäuscht sein wird - so ist es.
  • Das macht mich traurig und wütend - so ist es.

Achte vor allem darauf, bei deinen Teilsätzen nicht zu bewerten, sodass du dem Schmerz (Trauer, Wut) im gegenwärtigen Moment begegnen kannst. So lernst du, innerlich einen Schritt zurückzutreten, innezuhalten und den Schmerz zu sehen, ohne in einen Teufelskreis unangenehmer Gefühle und Gedanken zu kommen. 

Akzeptanz zu erlernen, erfordert Übung und ist eine lebenslange Aufgabe. Gehe achtsam und liebevoll mit dir um, mache dir keinen Druck. Außerdem ist es auch möglich zu akzeptieren, dass wir aktuell etwas nicht akzeptieren können. Dann versuche es mit einer anderen Tatsache, die du akzeptieren möchtest. Das Leben gibt uns viele Gelegenheiten, Akzeptanz zu üben. Es ist, wie es ist.

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Friederike Schubbert

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