Lesedauer 4 Minuten Während großer Verzweiflung, scheint es keinen Ausweg zu geben. Wie sie entsteht und welche Wege es heraus gibt, erfährst du hier!
Leidet eine Person aus unserem nahen Umfeld an einer Angsterkrankung, leiden wir meist mit. Gerne würden wir unseren Liebsten die Angst nehmen, etwas sagen oder tun, was die Angst reduziert und zu einer Linderung der Symptome beiträgt. Doch ohne eine psychotherapeutische Ausbildung ist das oftmals nicht so leicht. Denn viele Dinge, die wir aus unserer besten Intention heraus sagen und tun, um Betroffenen zu helfen, führen paradoxerweise eher zu einer Verstärkung der Symptomatik und weniger zu einer Besserung.
Welche Dinge das sind und worauf du im Umgang mit Betroffenen unbedingt achten solltest, das erfährst du hier.
Bei einer Angststörung handelt es sich um eine Erkrankung, bei welcher eine normale Emotion (Angst), ein solch intensives Ausmaß angenommen hat, dass sich daraus eine Krankheit entwickelt hat. Es ist im Umgang mit Betroffenen wichtig, diese auch als eine Krankheit anzuerkennen und die Problematik entsprechend ernst zu nehmen. Mit Sätzen wie “Dir kann doch nichts passieren, das ist doch nicht gefährlich/ so schlimm.” meinen wir es sicherlich nur gut und wollen darauf hinweisen, dass keine reale Gefahr besteht. Betroffene werden diese Aussage aber anzweifeln, weil sie die Angst in ihrem ganzen Körper spüren und kein anderer in ihrem Körper steckt. Woher sollen die Anderen wissen, ob nicht vielleicht doch eine akute Gefahr besteht?
Ebenfalls schwierig sind Aussagen wie “Wieso hast du denn Angst? Ich hab doch auch keine…”. Schließlich bringt es ihnen nichts zu wissen, dass Andere keine Angst haben. Sie haben Angst!
Es ist also in erster Linie wichtig, Betroffenen zu signalisieren, dass man sie und ihre Erkrankung ernst nimmt. Daher gilt es alles zu vermeiden, was das Gegenteil suggeriert. Eine Angststörung kann man schließlich nicht rein auf der rationalen/ logischen Ebene behandeln, da es sich hierbei um ein Gefühl handelt. Ein Gefühl, das so stark geworden ist, dass man es im ganzen Körper spürt und welches sich für Betroffene sehr schlimm anfühlen kann.
Tipp: Nimm Betroffene ernst. Ermutige sie sanft, sich ihrer Angst zu stellen und motiviere sie dazu, in angstauslösenden Situationen zu bleiben, bis die Angst abgeklungen ist. Du kannst sie auch an bereits gelernte Therapieinhalte und Strategien im Umgang mit Angst erinnern. Achte also auf einen verständnisvollen, wertschätzenden und ermutigenden Umgang.
Auch Sätze wie “Stell dich nicht so an!”, “Reiß dich zusammen!” oder “Beruhige dich, bleib einfach ruhig.” führen dazu, dass sich unser Gegenüber wahrscheinlich kaum ernst genommen fühlt. Schließlich würde er oder sie sicherlich genau das tun, wenn es denn möglich wäre. Letztlich werden Sätze wie diese dazu führen, dass Betroffene sich unverstanden und in der Folge eher alleine fühlen. Es ist ein ganz natürlicher menschlicher Impuls, in problematischen Situationen nach Lösungen zu suchen und entsprechende Ratschläge zu geben. Das kann aber dazu führen, dass sich Betroffene bevormundet fühlen. Vermutlich haben sie diese “Tipps” schon hundertmal gehört und die Angst ist trotzdem noch da.
Tipp: Anstatt ungefragte Ratschläge zu erteilen, versuche lieber, Mitgefühl zu zeigen und Fragen zu stellen. Das nennt man in der Psychologie Validierung. Zeige, dass du ein offenes Ohr hast, stelle Fragen nach Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen und höre aufmerksam zu. Überprüfe durch Zusammenfassungen, ob du dein Gegenüber richtig verstanden hast und bleibe wertschätzend. Durch Fragen zeigen wir nicht nur, dass wir jemanden ernst nehmen, sondern auch unser Interesse am Wohlergehen der Person. Es gilt: Fragen statt beraten. Anstatt also Tipps zu geben, frage lieber, was dein Gegenüber gerade braucht und was du für ihn oder sie tun kannst. Damit stärken wir nicht nur das Autonomiegefühl der Betroffenen, sondern auch unsere Bindung zu ihnen.
Wenn die Angst überhandnimmt, wie zum Beispiel während einer Panikattacke, ist die Aufmerksamkeit gebunden und die Möglichkeiten zur ausführlichen Kommunikation relativ gering. Es wird Betroffenen also schwerfallen, in diesen Momenten in die Analyse zu gehen und ein ausführliches Gespräch zu führen. Daher ist es besser, in diesen Momenten keine offenen Fragen zu stellen (“Woher kommt die Angst?”), sondern geschlossene (“Soll ich deine Hand halten?”). Such das Gespräch lieber in ruhigen Momenten.
Tipp: In Momenten von besonders intensiver Angst versuche eher einfache Fragen zu stellen, z.B. “Soll ich mich zu dir setzen? Magst du ein Glas Wasser?”. Diese sind eindeutig und können mit einem simplen Kopfnicken oder Kopfschütteln beantwortet werden.
Dies ist ein sehr wichtiger Tipp. Denn vermutlich möchtest du alles dafür tun, um deinem Gegenüber die Angst zu nehmen. Besteht eine Angst vor Dunkelheit, machst du das Licht an. Liegt eine Angst vor Busfahrten vor, bietest du eine Autofahrt an. Existiert eine Angst vor Rolltreppen, nehmt ihr zusammen die Treppe.
Das mag kurzfristig die Angst der Betroffenen lindern. Es handelt sich hierbei jedoch um Vermeidungsstrategien, welche langfristig zur Aufrechterhaltung der Angst beitragen. Es wird dann z.B. Folgendes gelernt: “Ich hatte nur keine Angst, weil ich die Treppen (und nicht die Rolltreppe) genommen habe. Hätte ich die Rolltreppen genommen, wäre die Angst da. Das könnte ich nicht aushalten!” Die Tatsache, dass die Angst aushaltbar wäre und nach einer gewissen Zeit abklingen würde, können die Betroffenen dann nicht überprüfen. Indem wir das Vermeidungsverhalten stützen und mitmachen, fördern wir im Prinzip die Unselbstständigkeit der Betroffenen und tragen nicht zu einer langfristigen Besserung der Angstsymptomatik bei, sondern zu deren Verstärkung.
Tipp: Anstatt mit in die Vermeidung zu gehen, versuche dein Gegenüber dazu zu ermutigen, sich der Angst zu stellen. Wenn eine gewisse Situation noch zu schwierig ist, versucht gemeinsam eine etwas leichtere Situation zum Üben auszuwählen.
Dieser Tipp geht in eine ähnliche Richtung. Um Betroffene wirklich zu unterstützen, solltest du ihnen nicht zu viel abnehmen und sie nicht überallhin begleiten, wo Angst auftritt. Auch hier sind die Unterschiede in den kurz- und langfristigen Auswirkungen dieses Verhaltens prägnant. Kurzfristig unterstützen wir Betroffene. Das fühlt sich auch für uns gut an. Langfristig jedoch unterstützen wir die ungesunde Annahme, dass sie die Situation niemals alleine bewältigen könnten. Um von einer solchen Annahme loszukommen, ist es wichtig, die Angst alleine (also ohne Hilfsmittel) auszuhalten und zu merken, wie sie auch von alleine wieder sinkt. Das stärkt den Gedanken, dass man alles alleine hinbekommen kann und damit das Autonomiegefühl. Falls du eine Person mit einer Angststörung bei allem begleitest, könnte sie denken, dass die Angst nur aus dem Grund abgenommen hat, weil sie sich mit dir in Sicherheit gefühlt hat. Eine Person, die Angst davor hat, beim Überqueren der Straße in Ohnmacht zu fallen, würde vielleicht denken, dass du sie nicht einfach auf der Straße liegen lassen würdest. In der Konsequenz würde die Angst aber bestehen bleiben, und das Überqueren der Straße wäre nur gemeinsam möglich.
Tipp: Du musst nicht jegliche Begleitung unterlassen. Wichtig ist bloß, dass sich die Person mit Angst auch allein den entsprechenden Situationen stellt. Wenn das zu Beginn noch schwer bis unmöglich ist, sollte man aber darauf achten, im Verlauf die Begleitung schrittweise abzubauen.
Ebenfalls wichtig: Die Angst kann im Leben der Betroffenen überhandnehmen und die Betroffenen in ihren aktuellen Möglichkeiten stark einengen. Anstatt Betroffene also bei angstauslösenden Situationen zu begleiten, unternimm lieber etwas Schönes und Leichtes mit ihr, was Freude bereitet. So dreht sich nicht alles darum, Unangenehmes zu vermeiden, sondern ihr fördert das Nachgehen angenehmer Aktivitäten. Dabei ist es jedoch wichtig, im Sinne von Punkt 1, die Angst nicht zu ignorieren, sondern die Bereitschaft zu signalisieren, jederzeit offen darüber zu sprechen. Du kannst deinem Gegenüber trotzdem dabei helfen, das Schöne im Leben nicht aus den Augen zu verlieren.
Es gibt dieses Sprichwort: “Schwere Zeiten haben auch Gutes an sich: Sie zeigen, auf wen du dich bedingungslos verlassen kannst.” Wer einander in schweren Zeiten unterstützt, baut damit das Fundament für eine stabile Beziehung und zwischenmenschliche Verbindung, welche womöglich ein Leben lang halten mag. Von Angehörigen in schweren Zeiten unterstützt zu werden, wird die Beziehung zueinander also mit großer Wahrscheinlichkeit intensivieren. Gleichzeitig ist es auch sehr kräftezehrend. So gerne man auch alles füreinander tun möchte, bleibt am Ende wichtig zu sagen, dass das eigene Wohlergehen das höchste Gut ist. Wenn du merkst, dass du unter den geleisteten Hilfestellungen sehr leidest, schau an welchen Stellen du dir wieder mehr Zeit für dich nimmst oder wie du dich besser abgrenzen kannst. Viele Kliniken und Praxen bieten auch Gruppen für Angehörige an. Der Austausch kann entlasten und erleichtern und erweist sich in vielen Fällen als sehr hilfreich.
Mit leerem Akku kannst du niemandem helfen. Dann gilt es, sich erstmal liebevoll um sich selbst zu kümmern.
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