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November 21, 2022

Spezifische Phobien: Was ist das und wie gehe ich damit um?

Lesedauer 4 Minuten

Viele Menschen fürchten sich vor gewissen Objekten, Orten oder Situationen. Weit verbreitet sind zum Beispiel die Angst vor Spinnen oder Zahnarztbesuchen. Vielleicht hast du selbst Angst oder kennst jemanden und fragst dich, ob eventuell eine spezifische Phobie vorliegt. Doch ab wann spricht man bei diesen recht typischen Ängsten von einer Phobie? Wir erklären dir, was es mit spezifischen Phobien auf sich hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Was ist eine spezifische Phobie?

Als eine spezifische Phobie wird eine überdurchschnittlich starke Angst vor bestimmten, also eindeutig bestimmbaren Lebewesen, Orten, Situationen oder Objekten bezeichnet, so zum Beispiel die Angst vor Tieren im Allgemeinen, Hunden, Spinnen, Höhen, Gewitter, engen Räumen, Flugreisen, Spritzen oder Arztbesuchen und vieles mehr. Du hast sicherlich schon mal etwas von der Agoraphobie (Angst vor öffentlichen Plätzen) und der sozialen Phobie (Angst vor sozialen Situationen) gehört. Da diese beiden Phobien sich nicht auf eindeutig bestimmbare Situationen oder Objekte beziehen, zählen sie nicht zu den spezifischen Phobien. 

Um die Diagnosekriterien einer spezifischen Phobie zu erfüllen, müssen neben der Angst auch weitere Symptome bestehen. Betroffene sprechen zum Beispiel von einem starken Vermeidungsverhalten der Angstreize, welches nicht selten mit Einschränkungen in der Lebensqualität einhergeht, zum Beispiel, wenn man aufgrund seiner Angst vor Zahnarztbesuchen nicht mehr zum Zahnarzt geht und Zahnerkrankungen, womöglich sogar Folgeerkrankungen auftreten. Oder wenn man aufgrund seiner Flugangst nicht mehr mit seinem Partner oder der Familie in den Urlaub fahren kann. Wird kein Vermeidungsverhalten angegeben, berichten Betroffene, die bestimmten Situationen nur unter intensiver Angst auszuhalten.

Wie du vielleicht schon weißt, ist Angst ein Gefühl, welches mit besonders starken körperlichen Empfindungen einhergehen kann. So berichten Betroffene häufig von:

  • starkem Herzklopfen
  • Zittern
  • Schwitzen
  • Atembeschwerden
  • Schwindel
  • Übelkeit.

Diese Symptome treten üblicherweise nicht nur im Kontext der Angstreize auf, sondern bereits bei Gedanken an den Angstreiz, zum Beispiel wenn jemand mit Spinnenangst nur an die kleinen schwarzen Krabbeltiere denkt. Wir Menschen verfügen (in diesem Fall „leider“) über ein sehr gutes Vorstellungsvermögen und können uns das Meiste ziemlich bildlich und wahrheitsgetreu vorstellen. Lösen bereits die Gedanken an das gefürchtete Objekt/Situation Angst in uns aus, spricht man von der Erwartungsangst, also der Angst vor der Angst.

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Oft schämen sich Betroffene für ihre „übertriebene“ Angstreaktion. Sie sind einsichtig und wissen, dass die Objekte und Situationen nicht gefährlich sind. Und dennoch kommt es zu einer ausgeprägten und intensiven Angstreaktion, die für Betroffene eine große emotionale Belastung darstellt. 

Woher kommt die starke Angst?

Lange Zeit ging die Forschung davon aus, dass es im Leben von Betroffenen ein Schlüsselereignis gegeben haben muss, welches die intensive Angstreaktion erklärt. In der Praxis wurde jedoch immer häufiger festgestellt, dass sich viele Betroffene nicht an ein solches Schlüsselereignis erinnern können.

Eher geht man davon aus, dass mehrere Faktoren die Entstehung der Angstreaktion begünstigen. Damit in Zusammenhang steht beispielsweise die Evolution - so bringt beispielsweise die Angst vor Giftspinnen, Schlangen oder Gewitter in einer schutzarmen Umgebung durchaus einen Überlebensvorteil mit sich. Eine Studie, in welcher 6 Monate alten Babys einerseits Bilder von Schlangen und Spinnen und andererseits von Blumen und Fischen zeigte, konnte eine größere Stressreaktion (deutlich größere Pupillen) beim Anblick von Spinnen und Schlangen finden. Darüber hinaus spielt auch die Genetik eine große Rolle. Bei spezifischen Phobien wird ein Erbfaktor von 20 bis 40 % angenommen. Wenn es in der Familie Phobien gibt, steigt das Risiko jedoch nicht nur vor dem Hintergrund der Vererbung, sondern die phobischen Reaktionen können sich ebenfalls früh abgeschaut, unbewusst gelernt und übernommen werden.

Welche verschiedenen spezifischen Phobien gibt es?

Man unterscheidet grob zwischen 5 Typen der spezifischen Phobien:

Tier-Typ: Tiere im Allgemeinen, Vögel, Hunde, Schlangen, Insekten, Spinnen, … 

Situativer-Typ: Höhen, Flüge, kleine geschlossene Räume, Fahrstühle, Tunnel, … 

Blut-Injektions-Verletzungs-Typ: Anblick von Blut, Anblick von Verletzungen, Injektionen (Spritzen), ...

Naturgewalten-Typ: Gewitter, Blitz, Donner, Sturm, tiefe Gewässer, …

Andere: Zahnarztbesuche, Krankenhausbesuche

Insgesamt gibt es bei den spezifischen Phobien ein relativ frühes Ersterkrankungsalter (ca. 7 Jahre), wobei typischerweise Frauen häufiger (statistisch gesehen 2,3 mal so oft) an einer spezifischen Phobie erkranken als Männer.

Insgesamt besteht bei den spezifischen Phobien im Vergleich zu anderen Angsterkrankungen eine recht hohe 12-Monatsprävalenz (8,7 %). Das bedeutet, dass in einem Jahr ca. 8,7 % der deutschen Bevölkerung an einer spezifischen Phobie leiden, also ca. jede elfte bis zwölfte Person. Eine erschreckend hohe Zahl? Häufig fällt es Außenstehenden nicht auf, da wir mit vielen der bestimmten gefürchteten Situationen und Objekte nicht tagtäglich in Kontakt treten.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Viele Menschen in Deutschland können mit ihrer Phobie sehr gut leben. Das liegt daran, dass einige der gefürchteten Objekte bzw. Situationen so spezifisch sind oder selten vorkommen, dass wir ihnen im normalen Alltag selten begegnen. Stell dir jemanden mit einer Schlangenphobie vor. Vermutlich wird die Person gut mit ihrer Phobie leben können, da man in Deutschland selten in Kontakt mit Schlangen kommt. Eine Behandlung ist dann aus subjektiver Sicht häufig nicht unbedingt notwendig.

Ist der Alltag stark eingeschränkt durch die phobischen Ängste, wird eine Psychotherapie empfohlen. Die Behandlung der spezifischen Phobie besteht hier aus zwei großen Haupt-Bestandteilen: dem Expositionstraining sowie der Vermittlung von Entspannungstechniken. Das Expositionstraining gilt als äußerst wirksam. Dies wurde bereits in vielen Studien zu Angsterkrankungen belegt. Im Expositionstraining wird man schrittweise mit seinen Ängsten konfrontiert. Hierbei wird zunächst mithilfe des Therapeuten/ der Therapeutin eine Angsthierarchie erstellt, also eine Liste von leichten bis schweren Situationen in Bezug auf die Phobie. Bei einer Spinnenphobie könnten mögliche aufgelistete Situationen sein: ein Bild einer Spinne betrachten, ein Video von Spinnen anschauen, eine echte Spinne aus einer weiten Entfernung beobachten, eine Spinne aus einer näheren Entfernung betrachten usw. Dabei bleibt man so lange in der Situation, bis die Angst um ca. die Hälfte gesunken ist (z.B. von 80 % auf 40 %), um zu lernen, dass die Angst nach einiger Zeit nachlässt, auch wenn man die Situation/ das Objekt gezielt nicht vermeidet.

Bewältigungsfertigkeiten erlernen

Ein weiterer Bestandteil der Therapie ist das Erlernen von Copingtechniken (Bewältigungsfertigkeiten) wie der gezielten Wahrnehmungslenkung, dem Einsatz hilfreicher Gedanken und Atem- sowie Entspannungsübungen. Ebenso werden teilweise Techniken zur Assoziationsspaltung eingesetzt, bei welcher neue (positive!) Assoziationen mit gefürchteten Begriffen gesucht und gelernt werden.

Solltest du dich in diesem Text angesprochen fühlen und womöglich an einer spezifischen Phobie leiden, welche dich in deinem normalen Alltag stark einschränkt, möchten wir dich ermutigen, dich deinen Ängsten zu stellen und nicht in die Vermeidung zu gehen, denn diese trägt nur kurzfristig zur Erleichterung bei! Ob mithilfe einer Psychotherapie oder allein - konfrontiere dich mit deinen phobischen Ängsten und gewinne damit wieder mehr emotionale Stabilität und Handlungsfreiheit. Also Augen auf und durch! 

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Friederike Schubbert

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