Artikel vom 
November 3, 2021

Selbstwert: So kannst du ihn stärken

Lesedauer 4 Minuten

Was denkst du über dich? Welche Gedanken, Sätze oder Bewertungen fallen dir ein? Vielleicht findest du dich schön, stark, erfolgreich oder sozial. Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die sich selber eher negativ bewerten. Oder findest du je nach Situation sowohl positive als auch negative Zuschreibungen für dich? Der Selbstwert, also die Bewertung der eigenen Person, ist sehr komplex und hat einen enormen Einfluss auf unser Leben. Er kann damit zusammenhängen, ob wir glücklich und zufrieden mit uns sind, selbstkritisch, ängstlich oder unsicher. Das Gute ist: den Selbstwert kann man stärken. Was verschiedenen Facetten des Selbstwertes sind, wie er uns beeinflusst, und praktische Tipps um ihn zu stärken, erfährst du hier.

Der Selbstwert und seine Facetten

Der Selbstwert, oft auch Selbstwertgefühl genannt, ist das Bild, was wir von uns selbst haben und die Bewertungen die damit einhergehen. Er ist also völlig subjektiv und spiegelt nur wider, welchen Wert wir uns selber zuschreiben, nicht was andere über uns denken. Unterschiedliche Ausprägungen sind sowohl genetisch bedingt, als auch abhängig von Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben (z.B. Wertschätzung, Mobbing, Vernachlässigung). Vielleicht ist dir schonmal aufgefallen, dass dein Selbstwert nicht zu jeder Zeit gleich ist, sondern schwanken kann. Das liegt daran, dass Menschen ihren Selbstwert häufig aus verschiedenen Bereichen ziehen, die ihnen wichtig sind. Beispiele dafür sind: die Familie, Freunde, Erfolg im Beruf, Fähigkeiten, Eigenschaften, Werte, das Aussehen und so weiter. Du kannst also in einem Bereich ein positives Bild von dir haben (“Ich kann gut malen”) und in einem anderen ein negatives (“Dafür bin ich schlecht in Mathe”). Bewertungen können auch ganz global ausfallen (“Ich bin ein totaler Versager”), in Bezug auf andere Menschen auftreten (“Ich sehe nicht so gut aus wie xy”) oder in Bezug auf uns selber (“Wenn ich diese Woche etwas schneller laufe als letzte, bin ich zufrieden”). 

Selbstwert ist ein Grundbedürfnis

Nach den Psychologen Klaus Grawe (1943.2005) ist Selbstwertschutz und -erhöhung eines von vier Grundbedürfnissen des Menschen. Daneben stehen das Bedürfnis nach Bindung, nach Lust bzw. Unlustvermeidung sowie nach Orientierung und Kontrolle. Alle Menschen, jung und alt, haben diese Bedürfnisse, jedoch in unterschiedlich starker Ausprägung. Als Kinder können wir unsere Bedürfnisse nicht allein erfüllen und sind stark auf unsere Bezugspersonen angewiesen. Die Kindheit ist daher sehr prägend für den weiteren Umgang mit Bedürfnissen und relevanten Situationen. Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung (“gut sein wollen”) hängt stark mit dem Bindungsbedürfnis zusammen, weil Kinder von der Zuneigung ihrer Eltern abhängig sind, um zu überleben. Werden ihre Bedürfnisse nicht durch die Bezugspersonen befriedigt, ist die einfachste Bewertung “Es wird sich nicht um mich gekümmert, weil ich nicht gut bin.” (und nicht etwa “weil meine Bezugspersonen nicht gut sind.”). Andersherum fühlen wir uns wertvoll, wenn sich um uns gekümmert wird. Das kennen wir auch als Erwachsene noch.
Doch auch wenn das Bedürfnis in der Kindheit gut erfüllt werden konnte, kann sich der Selbstwert negativ entwickeln, z.B. durch andere unangenehme Lebenserfahrungen (z.B. Mobbing oder Verletzungen in der Partnerschaft)

Wie uns der Selbstwert beeinflusst

Ein ‘gesunder’ Selbstwert hängt mit Zufriedenheit, Wohlbefinden und psychischer Gesundheit zusammen. Wobei hier nicht nur die Höhe des Selbstwertes wichtig ist. Auch die Stabilität (wie sicher, robust oder auch schwankend der Selbstwert ist) und die Kontingenz (wie abhängig der Selbstwert von dem Erreichen interner und externer Standards gemacht wird, siehe letzter Artikel, Vergleich mit anderen Menschen), spielen eine Rolle. Diese Facetten hängen miteinander zusammen, sodass Personen mit einem niedrigen Selbstwert häufig auch eher Schwankungen in ihrem Selbstwert wahrnehmen und ihren Wert eher von dem Erreichen bestimmter Ideale oder Standards abhängig machen. Häufig werden dann Fehler eher bei sich selbst gesucht und Misserfolge auf die eigene Person bezogen. Ein niedriger, instabiler und kontingenter Selbstwert ist außerdem mit Selbstaufmerksamkeit, Stress, Perfektionsstreben und Gefühlen von Bedrohung, Ängstlichkeit und Unsicherheit assoziiert. Er kann die Entstehung (und das Bestehen) von psychischen Erkrankungen wie Depression und Angststörungen begünstigen, gleichzeitig aber auch durch psychischen Erkrankungen entstehen bzw. Symptom sein.
Aber auch bei Personen mit einem sehr hohen Selbstwert kann das negative Auswirkungen haben: ihnen fällt es häufig schwer aufzugeben, selbst wenn das die richtige Entscheidung wäre. Außerdem kann ein intensiver Fokus auf die eigenen Stärken der persönlichen Weiterentwicklung im Wege stehen. 

Tipps, um den Selbstwert zu stärken

Der Selbstwert hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen, verhalten und was wir denken. An den Auswirkungen wie Unsicherheit, Perfektionsstreben, Angst vor Ablehnung usw. kann man gut ansetzen und den Selbstwert so stärken. Allerdings haben sich diese Muster häufig seit Jahren eingeprägt und verfestigt. Zudem kann ein geringer Selbstwert ganz individuelle Hintergründe haben. Die folgenden Strategien sind daher nur generelle Tipps zur Stärkung des Selbstwertes. 

Selbstfürsorge – Kümmere dich um dich selbst! 

Achte auf ausreichend Schlaf, regelmäßige und gesunde Mahlzeiten und genug zu trinken. Entspannungsübungen sind eine gute Möglichkeit, um dir selber Pausen zu gönnen und dir Liebe entgegen zu bringen. Außerdem können sie Stress lindern und vorbeugen. Auch regelmäßiger Sport und Bewegung können helfen, den Selbstwert und das Selbstvertrauen zu stärken. Mach es dir schön, mit Dingen, die dir Spaß machen, wie malen, spazieren gehen, Bücher lesen, Pralinen essen oder baden.

Achtsamkeit

Auch Achtsamkeitsübungen sind hier wieder sinnvoll und hilfreich. Durch eine nicht-wertende Haltung soll im Achtsamkeitstraining erlernt werden, sich selbst und die Umwelt wahrzunehmen und zu akzeptieren. Niemand ist perfekt (das wäre auch langweilig), und das ist okay. Aber du bist mehr als deine (fehlerhaften) Eigenschaften und unabhängig davon wertvoll. 

Blickwinkel ändern – Fokus auf das Positive

Schreib in einem Tagebuch jeden Abend auf, was dir am Tag Positives widerfahren und Gutes gelungen ist. Auch die sogenannte Bohnenübung kann dazu genutzt werden: Stecke dir morgens einige getrocknete Bohnen oder Erbsen in die rechte (Hosen)Tasche. Immer wenn dir über den Tag etwas Positives passiert, steckst du eine Bohne davon in die linke Tasche. So kannst du am Ende des Tages ganz realistisch sehen, wie viele positive Dinge tatsächlich passieren.
Wenn du merkst, dass du dich gerade abwertest, versuche dich aktiv auf Bereiche zu fokussieren, in denen du ein gutes Selbstbild hast. Findest du dich im Spiegel heute nicht hübsch und bemerkst, das du dich dafür abwertest, lege deinen Fokus beispielsweise auf die letzte gute Note in der Uni, die Beziehung zu deinen Kindern usw.
Passend dazu: Die Spiegelübung. Stelle dich vor einen Spiegel und bringe deine Aufmerksamkeit auf Körperteile, die dir gut gefallen. Sage das auch gern laut zu dir und lächele dich dabei an.

Du bist ein Mensch mit individuellen Lebenserfahrungen, die deinen Selbstwert geprägt haben. Daher kommt es auf dich an, welche von diesen Tipps helfen können. Wenn dein Selbstwert dich stark einschränkt oder mit Ängsten oder Depressionen zusammenhängt, ist eine Psychotherapie das Mittel der Wahl! Die genannten Tipps kannst du dann natürlich als Ergänzung ausprobieren.

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Christin Thedens
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