Artikel vom 
Januar 30, 2023

People Pleasing – das Streben nach Anerkennung

Lesedauer 6 Minuten

In unserer heutigen Leistungsgesellschaft ist es kein Wunder, dass wir unseren Fokus immer mehr darauf legen, positiv bewertet zu werden und gut anzukommen. Wir alle wollen lieber Lob ernten als Kritik, lieber gefallen als missfallen und lieber in Frieden leben als im ständigen Konflikt. 

Doch das ständige Streben nach positiven Bewertungen (People Pleasing) kann sich ungesund auf deine mentale Gesundheit auswirken. Ab wann das Streben nach Anerkennung gefährlich wird, das erfährst du hier.

Woran erkenne ich, dass ich nach Anerkennung strebe?

Wie jede Verhaltensweise bringt auch das Streben nach Anerkennung nützliche Vorteile mit sich. Menschen mit diesem (meist unbewussten) Motiv sind mit ihren Antennen sehr im Außen unterwegs und versuchen, es allen recht zu machen und allen zu gefallen. Mit ihrer angepassten, leicht unterwürfigen Art sind sie meist sehr beliebt und eigentlich „ein:e perfekte:r Freund:in“. Sie können sich schnell in andere hineinversetzen, sind hilfsbereit und freundlich und tragen mit ihrer Art dazu bei, dass es allen gut geht. Nicht selten hören sie Sätze wie „Auf dich kann man sich wirklich immer verlassen“ oder „Nach Treffen mit dir geht's mir immer besser, ich hab dann immer so viel Energie“. Eigentlich schön, oder? 

Ja – für die anderen ist das sehr schön. Aber ist es auch für dich schön? 

Wenn du dich in den oben genannten Verhaltensweisen wiedererkennst, frag dich mal, mit welchen Kosten dieses Verhalten einhergeht. Typischerweise bleiben deine eigenen Bedürfnisse dabei auf der Strecke und auch dein Selbstwertgefühl wird unter dem vergeblichen Versuch, es allen recht zu machen, leiden, da du damit deine Selbstachtung von den Reaktionen anderer abhängig machst.

Um es anderen recht zu machen, neigst du vielleicht dazu, eher „ja“ als „nein" zu sagen, dich für Dinge zu entschuldigen, für die du dich nicht entschuldigen brauchst und übermäßig viel Verantwortung für das Gelingen einer zwischenmenschlichen Beziehung zu übernehmen. Wahrscheinlich nimmst du dir auch schnell Dinge zu Herzen und handelst möglichst nach den (vermeintlichen) Erwartungen anderer, um Konflikte zu umgehen und für eine gute Stimmung zu sorgen. 

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Woher kommt der Drang, es allen recht zu machen?

Vor tausenden von Jahren war es besonders wichtig, sich an eine Gruppe anzupassen. Menschen im Steinzeitalter waren auf ihre Gruppe angewiesen, um einander Schutz zu spenden und überlebenswichtige Aufgaben zu verteilen. Die soziale Ausgrenzung glich nicht selten dem Tod. Auf diese Weise hat sich das angeborene, menschliche Grundbedürfnis nach Bindung entwickelt.

Bereits in unserer Kindheit suchen wir die ständige Aufmerksamkeit unserer Eltern und streben nach ihrem Lob und ihrer Zuneigung. Dabei ist es nicht verwerflich, dass wir uns über Lob freuen. Anerkennung ist die Währung für Bindung. Mit den Versuchen, anderen zu gefallen, möchten wir eine engere Beziehung zu ihnen aufbauen. Anerkennung ist somit der soziale Klebstoff, mit dem wir uns an unser Umfeld binden möchten.

Bist du zudem in einer Familie aufgewachsen, in welcher Streit und Konflikte möglichst gemieden wurden, bist vermutlich mit einem starken Harmoniebedürfnis ausgestattet. Menschen mit einem hohen Harmoniebedürfnis neigen dazu, Bindung über Selbstachtung zu stellen. Das bedeutet: Um dafür zu sorgen, dass eine Beziehung nicht bedroht ist, würden sie eher nachgeben, eigene Bedürfnisse verdrängen und eigene Grenzen missachten (quasi um des lieben Friedens Willen). Sie reagieren auf eine „Bedrohung“ im zwischenmenschlichen Kontext (z.B. auf eine Auseinandersetzung) nicht mit einer „Fight, Flight or Freeze“ Reaktion (Kampf, Flucht, Erstarren) sondern nutzen die 4. Reaktionsmöglichkeit „Fawn“ (engl. übersetzt „mit dem Schwanz wedeln“), also indem sie sich ihrem Gegenüber anpassen und sich unterwerfen, um so eine Bedrohung zu umgehen. 

Hinter allem steckt vermutlich eine Angst, z.B. die Angst vor Ablehnung, Zurückweisung, Schuldgefühlen oder Einsamkeit. Vielleicht auch eine Angst vor unangenehmen Gefühlen im Allgemeinen. 

Wann wird das Streben nach Anerkennung gefährlich?

Wer ständig die eigenen Bedürfnisse ignoriert, eigene Grenzen missachtet und sich für andere verbiegt, wird sich vermutlich häufig gestresst und erschöpft fühlen. Kennst du das und verspürst auch du dann einen starken inneren Wunsch nach Ruhe? Falls ja, liegt das vermutlich daran, dass du nur wirklich bei dir selbst bist, wenn du alleine bist. Spätestens dann ist es an der Zeit, dein Verhalten mal genauer unter die Lupe zu nehmen. 

Das Interessante ist, dass wir versuchen, über die Anpassung an die Bedürfnisse anderer Kontrolle herzustellen. Kontrolle darüber, dass die Beziehung funktioniert. Dass man geliebt und respektiert wird. Im Prinzip gibt man aber mit der ständigen Anpassung an das Umfeld jegliche Kontrolle ab, da man in der Erfüllung jeglicher Anforderungen und Erwartungen eher fremdbestimmt als selbstbestimmt handelt. 

Gefährlich wird es, wenn wir (im Versuch, es allen recht zu machen) anfangen, uns selbst zu verlieren. Wenn wir immer weiter weg von uns sind und unsere Gefühle und Bedürfnisse nicht nur nicht äußern, sondern sie gar nicht mehr richtig spüren. Wenn du verlernt hast, dich selbst wahrzunehmen, wird es dir auch schwerfallen, zu erkennen, wann deine Grenze überschritten ist. Vielleicht bemerkst du im Rahmen innerer Unsicherheiten auch Schwierigkeiten dabei, Entscheidungen zu treffen.

Doch warum geben wir anderen eigentlich so viel Macht über uns? Warum haben wir es nötig, ihnen zu gefallen, wenn wir uns doch dazu entscheiden können (daran arbeiten können), uns selbst zu gefallen? 

5 Tipps, wie du aufhörst allen gefallen zu wollen

Wir möchten dir hier 5 Tipps mit auf den Weg geben, wie du lernen kannst, dich unabhängig von der Meinung anderer zu machen.

1. Frage dich, was du befürchtest

Nimm Kontakt zu deiner ängstlichen Stimme auf. Was befürchtest du, wird passieren, wenn dich jemand ablehnt? Sei dir gewiss, dass es immer Menschen geben wird, die dich nicht mögen werden. Das hängt damit zusammen, dass du immer auch eine Projektionsfläche für Menschen sein wirst. Dass Menschen immer auch Dinge in dir sehen werden, die mehr mit ihnen als mit dir zu tun haben. Vielleicht erinnerst du sie optisch an ihre anstrengende Klassenkameradin oder du redest wie der große Bruder von jemandem. Der Versuch, allen zu gefallen, ist zum Scheitern verurteilt. 

Versuche, dich mit deiner Stimme der Angst zu verbinden und dich zu fragen, ob deine Befürchtung wirklich realistisch ist. Wirst du deine:n Freund:in wirklich sicher verlieren, nur wenn du einmal ein anderes Bedürfnis äußerst oder etwas anders siehst? Sicherlich sieht die Realität ganz anders aus als deine Befürchtungen. Und die gilt es zu überprüfen. Dafür benötigst du sicher etwas Mut. Vielleicht hilft es dir, dich daran zu erinnern, dass eine Beziehung (egal welcher Art) nicht funktionieren kann, wenn nur die Bedürfnisse einer Person befriedigt werden, alles andere ist unfair. Selbst, wenn dich jemand verlässt, bloß weil du auch mal deine Bedürfnisse äußerst, frage dich, ob das die Art Beziehung ist, die dich erfüllt.

2. Hör auf, alles persönlich zu nehmen

Wer immer versucht, es allen recht zu machen und Auseinandersetzungen zu vermeiden, kann sich von Meinungsverschiedenheiten schnell angegriffen fühlen und sie als Kritik an der eigenen Person werten. Oft handelt es sich einfach um unterschiedliche Meinungen bezüglich eines gewissen Sachverhalts. Nur weil dein Gegenüber anderer Meinung ist, heißt es nicht, dass sie dich und deine gesamte Person kritisieren. Sie sehen einfach eine bestimmte Sache anders als du.

Merke: Du wirst nicht nur gemocht, wenn du immer derselben Meinung bist wie deine Mitmenschen. Vielleicht wirst du gerade gemocht, weil du eine andere Meinung vertrittst und damit frischen Wind in die Beziehung bringst. Meistens mögen wir sogar die Menschen mit einer klaren Meinung lieber, als diejenigen, die zu allem „Ja und Amen“ sagen.

3. Gib Verantwortung ab

Erinnere dich daran, dass nicht du allein für das Gelingen einer Beziehung verantwortlich bist, sondern dass immer zwei dazugehören. Du trägst also nicht 100% der Verantwortung für eine Beziehung, sondern nur 50%. Um die anderen 50% sollte sich dein Gegenüber kümmern!

Zu deinen 50% gehört allerdings auch die ehrliche Kommunikation deiner Gefühle und Bedürfnisse. Frage dich auch, ob du nicht lieber mit Menschen zusammen bist, die klar artikulieren, was sie sich vorstellen oder brauchen? Letztendlich wird es dir leichter fallen, sie einzuschätzen und eine aufrichtige, authentische Beziehung zu ihnen aufzubauen. Andersrum gilt das auch für dich. Es ist einfacher sich mit dir zu verbinden, wenn dein Gegenüber weiß, was du willst, wie du tickst und wer du wirklich bist. 

4. Bestimme SELBER deine Werte

Ist es nicht irre, dass wir anderen so oft die Macht darüber geben, uns „zu bewerten“? Unseren Wert zu bestimmen? Wäre es nicht viel gesünder, wenn wir selbst darüber entscheiden würden, nach welchen Werten wir leben wollen? Wenn wir unsere Maßstäbe für sehr gut/ gut/ schlecht selbst definieren würden? Frage dich dafür mal: Was ist mir eigentlich wichtig? Wonach will ich mein Leben ausrichten? Nach welchen Werten möchte ich leben? Wofür möchte ich stehen? Und was sind meine Ansprüche (und sind diese auch nicht unrealistisch hoch?) Wer seine Werte kennt, macht seinen Selbstwert nicht abhängig von anderen Menschen. Und dann werden die Bewertungen der anderen auf einmal viel unwichtiger.

5. Akzeptiere negative Gefühle

Bist du manchmal enttäuscht von anderen? Sicherlich! Das ist normal und gehört zum Leben dazu. So wie du manchmal von deinen Mitmenschen enttäuscht bist, gehört es dazu, dass auch sie manchmal enttäuscht von dir sein werden. Übe dich in der Annahme dieser Gefühle. Das ist menschlich und normal und bedeutet in der Regel nicht, dass sie dich als Menschen nicht mehr mögen, sondern vielleicht mit einer Situation, einer einzigen Verhaltensweise oder Charaktereigenschaft unzufrieden sind.

Lerne, diese Gefühle zuzulassen und mit den Folgen zu leben. So viel wird sich bestimmt nicht ändern, außer dass du dich in sozialen Situationen gelassener fühlst, weil du dich nicht verstellen musst. Und dass du endlich deinem Selbstvertrauen die Chance gibst, sich zu entwickeln und zu wachsen, weil es nicht mehr von der Anerkennung anderer abhängig ist.

Friederike Schubbert

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